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Interview mit Nina George

Sie sind im journalistischen und schriftstellerischen Bereich in unterschiedlichen Genres unterwegs. Können Sie sich vorstellen, sich da auf ein Genre festzulegen?

 

Die Aussicht, ausschließlich Thriller oder nur noch erotische Stories zu schreiben bis ans Ende des letztes Tages: beängstigend. Nein, es gibt noch so viele Geschichten, die erzählt werden wollen, und die sich überhaupt nicht um Genre-Zuordnung scheren. Lieber würde ich mir ein Pseuodym nach dem nächsten zulegen, um weiterhin die Freiheit zu haben, alles schreiben zu dürfen – sei es Fantasy, Horror, Kinderbücher, Mördermärchen, Liebes- und Entliebensgeschichten, oder was immer das Leben auf mich zuspült.

 Woher nehmen Sie Ihre Inspiration zum Schreiben und wie kam Ihnen die Idee zu Ihrem Bretagne-Roman „Die Mondspielerin“? 

Der Musenkuss ist flüchtig. Er lässt sich auch nicht nehmen oder herbei planen – ich habe eher den Eindruck, die Inspiration nimmt mich. Aber nur, wenn ich verführbar bleibe. Mich nehmen lasse. Ich möchte versuchen, dieses diffuse Ding so zu erklären: Ich muss mich bis an einen gewissen Punkt heran leben. Menschen beobachten, Orte sehen, Gefühle bis ans letzte durchleiden und durchlachen und durchdenken. Wach bleiben. Einfach leben. Zu einem nicht vorhersehbaren Zeitpunkt hat sich, unbeobachtet von meiner Vernunft, alles Erlebte, Beobachtete, Gedachte, Gefühlte, Gehörte verdichtet. Zu einer Idee, einer Essenz ungezählter Realitäten. Sie geht an mich ran. Wie ein Dämon, wie ein Verführer, wie ein Befehl… Mal schmeißt sie sich ran. Mal zupft sie nur in mir herum. Wenn sie intensiv genug ist, aber ich nicht gleich auf sie eingehe, fängt sie an, mich zu belästigen. Geht mit mir ins Bett, steht mit mir auf, zerrt. Vor zwei Jahren hatte ich am ersten Weihnachtstag so einen Zerrer, ich entschuldigte mich höflich bei den Anverwandten und verschwand für drei Tage am Stück im Arbeitszimmer, erst dann wurde ich ruhiger (Nein, diese Geschichte ist noch nicht erschienen. Sie will eine Fantasy-Trilogie werden und zerrt immer noch, aber nicht mehr so hungrig).

Bei der Mondspielerin, die während des Schreibens immer „Ein Lied für das Meer“ hieß, schmiss sich die Idee an einem Montagmittag im Juni 2007 in einer Bar Tabac in Vitré (Ein Dörfchen bei Rennes in der Bretagne) an mich heran. Mein Mann und ich waren auf der Rückreise nach Paris und noch einigermaßen verkatert von einem bretonischen Fest eines Pilotenvereins am Tag zuvor, und brauchten dringend einen starken Kaffee. Ich beobachtete eine Gruppe kregler Senioren, die aus der Bar Tabac wackelten. Sie waren eindeutig angetrunken. Eindeutig vergnügt. Sie wirkten wie eine miteinander alt gewordenen Gang, die früher auf dem Moped durch die Gegend rockerte, und heute einander stützten, um nicht über den Rollator zu stolpern. Es war soviel Respekt und soviel Gemeinschaft in ihnen… es rührte mich, diese gelebten, lächelnden Menschen zu sehen. Auf einmal sah ich „sie“. Nur ihre Augen. Sie sahen mich an und etwas? Jemand? Ich selbst? Der Verführer? fragte: „Wieso gehöre ich zu ihnen? Wie bin ich hierher gekommen? Wieso lebe ich noch? Erzähl meine Geschichte. Erzähl mein Leben.“ Mein Mann fragte, ob mir nicht gut sei, ich sei weiß wie die Wand und meine Ohren knallrot. In meinem Bauch kullerte etwas Warmes wie verrückt, es war, als ob ich eben geblitzt würde. „Ich glaube, ich habe gerade eine Idee für einen Roman“ sagte ich, er verstand, er ist Schriftsteller, er kennt diese hinterlistigen Überfälle aus dem scheinbaren Nichts. Auf der Zugfahrt nach Paris und weiter nach Hamburg schrieb ich die ersten Fragmente auf, und aus allem verdichtete sich der Kern des Romans: Eine Frau am Ende ihres Lebens sucht den Tod, aber findet das Leben. Denn es ist nie zu spät. Niemals.

Betrachte ich all das, was ich in den Jahren, Tagen und Stunden vor diesem Mittag in der Bar Tabac erlebt, gesehen, gehört habe, erscheint es mir nur logisch, dass sich diese Idee irgendwann aus dem Knäul aller Fäden in meinem Kopf heraus löste und da stand. Ich war schon immer berührt von Menschen, die länger gelebt haben als andere. Von ihren Gesichtern. Ihrem Schweigen, wenn ihre Augen in die Vergangenheit blicken. Gleichzeitig sind es so alte, so alterlose Sehnsüchte: Habe ich gelebt, wie ich es will? Tue ich es jetzt gerade? Bin ich satt genug vom Leben, oder war ich zu feig?

Wenn man ihr Buch liest, kommt man nicht umhin ihre Liebe zur Bretagne zu bemerken. Was verbindet Sie mit diesem Fleckchen Erde. Waren Sie selbst schon in Kerdruc? 

Auch Kerdruc gehört zu den Orten, die ich vorher gesehen habe, bevor sich Marianne in Vitré zu mir setzte. Im Sommer zuvor, 2006, hatte ich meinen ersten echten Urlaub seit zwölf Jahren angetreten. Mein Mann wollte mir die Bretagne zeigen, in der er vor langer Zeit drei Jahre gelebt hatte; wir ließen uns durch das Land treiben, wir reisten mit dem eigenen Wagen und fuhren nach dem Zufalls-Navi: Bieg doch da mal ab, das ist so ein Hinweisschild für Steingräber, oder: Hab bei Somerset Maugham gelesen, in Pont-Aven lebte Paul Gauguin, lass uns da mal hinschauen.

In Kerdruc, in der Nähe von Pont-Aven landeten wir, weil wir uns auf der Suche nach einem romantischen Hotel erst durch einen Wald verfransten; wir landeten bei einem versteckten Anwesen, das alte, sehr alte Ehepaar (Aus dem später Pascale und Emile im Roman wurde – der brummelige „echte“ Bretone, auf dessen Hof wir rumpelten, lächelte erst, als er meinen nahezu ebenso alten Jaguar und meine etwas jüngeren Beine unter dem kurzen Rock sah) dort lotse uns zurück, schließlich verfuhren wir uns noch mal, diesmal an den Hafen von Kerdruc. Es war der bezauberndste Ort, den ich je gesehen habe. Wir trafen auf Thierry und Pascale, zwei Lehrer, die ein heimliches Verhältnis hatten; sie empfahlen uns wiederum ein Hotel, das mindestens genauso romantisch war wie das Nichtgefundene. Mit den beiden verbrachten wir den Abend, sie erzählten von der Mentalität, den Besonderheiten der Gegend, den Menschen.

Kerdruc ist so, wie es ist: Der winzige Quai. Das Bistrot. Die Auberge. Die paar Häuschen. Das Meer am nahen Ende der Mündung. Der nach Meer duftende Wald. Ich verliebte mich. Ich liebe den Ort so sehr, das ich jetzt, sofort, hinfahren will.

Ich kam erst im Mai 2008 zurück. Denn Kerdruc sollte der Ort sein, an dem Mariannes Geschichte spielte. Wir mieteten uns drei Wochen in einer bretonischen Mühle in der Nähe von Concarneau, zwanzig Minuten von Kerdruc entfernt, ein. Ein Tag schreiben, ein Tag Ausflüge, immer im Wechsel. Nach vier Tagen wusste die Tabakhändlerin in Pont-Aven, der Bäcker in Nevez, die Austernfischer in Belon, warum wir da waren: Ah, da kommen die ecrivains und wollen bestimmt wieder was wissen! Wenn mein Mann in der Mühle blieb – er war gerade dabei „Der zerrissene Schleier“ zu schreiben und tief im Mittelalter Konstantinopels versunken –, ging ich wie Marianne allein durch das Land, in immer größer werdenden Kreisen rund um Kerdruc. Ich sammelte. Etwas von allem ist in diesem Roman zurück geblieben – ob es die Hündin Merline ist, die ich auf einem Schloss einer Holzbild­hauerin traf, ob es die Beerdigung ist, in die ich – sehr peinlich – hinein platzte ohne zu verstehen, was grad los ist, ob es die Austernfischer von Belon sind, die schicke Galeristin Colette (in Pont-Aven sind massenhaft Galerien und Keksläden!), der Fischer Simon, in dessen Hofladen ich die Menhir-Krümel kaufte („In den ersten Jahrhunderten wachsen Hinkelsteine sehr langsam, müssen Sie wissen, Madame“), der endlose Küstenweg, die rumpeligen kleinen Autos, in denen immer Hunde oder auch mal eine Ziege auf dem Beifahrersitz saß. Abends schrieb ich, wie besessen. Ich hatte noch nie soviel Glück am Stück wie in diesen 21 Tagen empfunden.

Wie haben Sie es geschafft, sich so gut in die Gedanken- und Gefühlswelt Ihrer „älteren“ Protagonistin hineinzuversetzen?

 Ich bin erleichtert, wenn Sie als Leser das so empfinden. Denn das heißt, dass ich nicht gelogen habe oder etwas „um der Dramaturgie willen“ strategisch geplant. Die richtige Antwort ist vermutlich: Ich weiß es nicht. Schriftsteller sind geübt, sich in andere Menschen oder sogar Tiere, in Engel oder Vampire hinein zu versetzen. Aber das trifft es nicht ganz, es ist nicht nur Handwerk oder Übung oder Fantasie oder Konzentration. Ich habe mich den alterslosen Gefühlen hingegeben. Die Angst. Die Freude. Das Verliebtsein. Die Wut. Die Scham. Das Grauen, sterben zu müssen. Zu spät dran zu sein, um noch etwas zu reißen – oder, im Gegenteil, ungeduldig darauf, dass es endlich losgeht! Ich habe Marianne zugehört, und in ihr waren tausend Menschen, die ich je traf; ältere, die mir von ihren geheimen Sorgen und Freuden erzählten, jüngere, und sicher auch ich, irgendwo. Marianne zu schreiben war wie einen realen Menschen kennen zu lernen und achtsam mit ihren ganz und gar eigenen Nöten umzugehen; und es auch zu akzpetieren, wie schwach und verzagt sie zu Anfang ist.

Ihre Figuren sind so liebevoll ausgearbeitet. Jede hat ihren ganz eigenen Charakter. Wie sah die Vorbereitung dazu aus? Beobachten Sie gerne Menschen?

 Ich finde Menschen großartig. Und alle sind so verschieden! Hört sich etwas schlicht an, aber genau das ist es: Alle sind verschieden. Aber jeder hat ein, zwei ganz bestimmte Sehnsüchte. Wenn man es literarisch ausdrücken will: Ein Motiv. Ich wollte eine Gruppe von Frauen und Männern, die gelebt haben; eine Gruppe wie jene, die ich in Vitré gesehen hatte. Die weit über die Sorgen der Mittdreißiger hinaus sind. Die was zu sagen haben, wenn sie sprechen. Und ich wollte ihr Lebensmotiv kennen lernen, die eine Sehnsucht, die sich im Laufe der Jahrzehnte durch Scheitern oder Gewinnen zu ihrem Charakterkern verhärtet hat. Simon liebt das Meer, es ist für ihn Freiheit und doch Geborgenheit. Paul liebt es, sich für die Liebe zu opfern. Pascale liebt es, das Weibliche als Ursprung aller kosmischen Verbindungen zu sehen. Sidonie liebt das Ewige der Steine. Colette liebt das Suchen. Jeder von ihnen hat seine eigene Sehnsucht. Ich entdeckte sie erst während des Schreibens, es baute aufeinander auf: Mit wem wäre Simon befreundet, was für ein Typ müsste er sein? Wie sieht Colette aus, zu welchem Gegensatz fühlt sie sich hingezogen? Auch hier wieder: Es ist weniger ein rationales Planen, sondern ein Nachspüren, ein Schürfen in der inneren „Mine“, die vollgestopft ist mit fremder Leben; Sidonie etwa, der Tod ihres Mannes – das entsprang einem Gespräch mit einer Frau in Cuxhaven, die mir erzählte, wie es war, als ihr Gatte in der Küche tot umfiel und sie ihm als erstes die Nägel geschnitten hat bevor der Arzt kommt.
Ich habe die Rentergang immer wieder an einen imaginären Tisch gebeten und sie in Gedanken reden lassen, bis sie „da“ waren.

Ihr Buch lädt auch zum Nachdenken an, über unerfüllte Sehnsüchte und Träume. Welche Träume möchten Sie sich gerne noch erfüllen?

Großes Aufseufzen. Ich möchte gern noch…

…unbedingt wieder nach Kerdruc fahren. Austern essen in Belon. Meine Hände tief in die Wellen am Ufer des Meeres stecken.
…die Wüste sehen. Und den Sternenhimmel darüber. Ich möchte Dünen singen hören.
…Ich will endlich richtig Akkordeon spielen können und nicht nur eine Musette mit dreieinhalb Akkorden!
…Ich möchte die Chinesische Mauer anfassen.
…Ich möchte immer wieder mal in einigen Ländern für mehrere Wochen oder Monate leben, die Menschen kennen lernen und wie sie leben, lieben, denken, glauben.
…mit einem Hausboot über die Loire fahren, die Beine über die Reling baumen lassen und auf einem Grashalm pfeifen.
…durch die Toskana reiten und in der Nähe von Rosmarin schlafen.
…mit meinem Vater durch Spanien fahren und zugucken, wie die Spanierinnen auf seine hellblau gewaschenen Augen abfahren.
…mit meiner Mutter nach Paris und zugucken, wie die Herren sich überschlagen werden um sie zu charmieren.
…mit meinem Mann schreiben, reisen und leben.
…so viele green wash-Lügen globaler Konzerne wie möglich aufklären.

Denken Sie, dass Träume haben genau so wichtig ist wie Träume leben?
 

Ja. Wenn alle Träume erfüllt und gelebt wären, hätte man keine mehr und müsste leider sofort sterben.
Aber ich bin zuversichtlich: Der Mensch ist zu so vielen Träumen fähig, ist einer erfüllt, kommt bestimmt der nächste und klopft zart an. Man muss keine Angst haben, sie zu verschwenden, wenn man sie sich erfüllt. 

Was ist der Grund, dass Sie unter Pseudonymen schreiben?

 

Das Pseudonym Anne West entstand, als ein ehemaliger Arbeitgeber gelinde gesagt entsetzt war, dass ich gedachte, ein Buch über Sex bei Verlagen anzubieten (Es stand in meinem Vertrag, dass ich Buchpublikationen vor dem Verkauf dem Arbeitgeber melden muss); er drohte mir, das allerdings sehr verblümt, mit Kündigung meines damaligen Angestelltenverhältnisses als Redakteurin. Das war so um 1996 rum, ich dachte ein paar Nächte nach, ob ich ein Weichei sein wollte, trank ein bis fünf Vodkas, und als ich das letzte Glas an die Wand warf, war das Pseudonym beschlossen: Bittesehr, dann würde eben nicht ICH veröffentlichen, sondern eine Frau, von der keiner wusste, wer sie ist. Bei der Gelegenheit machte ich Frau Anne gleich zwei Jahre älter, weil ich mir dachte, einer 22-jährigen glaubt eh kein Mensch wenn sie einem was übers Leben als Frau im Speziellen und Mensch im Ganzen erzählen will. Im Dezember 1997 erschien der erste Anne West, wurde versehentlich ein Erfolg, der Verlag wollte mehr. Inzwischen sind es zwölf Sachbücher und Kurzgeschichten­bände, das Pseudonym habe ich 2001 geöffnet, als ich bereits zwei Jahre selbständig war und nur ich selbst mir kündigen kann.

Das Pseudonym Nina Kramer entstand 2008, als ich gleichzeitig einen Roman bei S.Fischer, und einen Thriller bei Pendragon bereit zur Veröffentlichung hatte. Man sieht es nicht so gern, wenn Schriftsteller unter ein und demselben Namen verschiedene Literatur-Genres bedienen. Und da Kramer der Name meines Mannes ist… ist es nicht ganz ein Pseudonym.

Es gibt allerdings noch drei weitere Pseudonyme, die aber nur in Notfällen benutzt werden – wenn etwa zwei große Reportagen von mir in einer Zeitschrift erscheinen, setze ich einen anderen Namen ein, oder wenn es mal ein satirisches Geschenkbuch sein soll, wo weniger der Name als der heitere Inhalt zählt.

Wie verbinden Sie Familie und Beruf? 

Wir haben keine Kinder, so, dass meine Familie mein Mann, meine Eltern und meine Schwester, und meine liebste Freundin ist. Ähem… und unsere Bücher, die wir beide umtüddeln wie Kindleins. Wir wohnen allerdings nicht zusammen (Der Mann und ich; wir wohnen quasi mit den jeweiligen Figuren), sodass wir beide vor uns hin arbeiten, und uns etwa drei- bis viermal die Woche nach der Arbeit sehen, bei ihm oder bei mir oder bei einem Fischhöker am Hafen. Um über die Arbeit zu sprechen, und um zu leben. Ich hätte nie damit gerechnet, a) überhaupt zu heiraten und b) auch noch einen Schriftsteller – ich hatte Sorge, wir hätten dann die Rivalität, Neid und Konkurrenzdruck im Haus und zanken uns um jede Auflage! Doch es ist für uns beide hoch erleichternd, mit jemandem zu leben und vor allem: auszutauschen, der versteht, was, warum und wie wir es tun, weil er es selbst tut. Für jemand, der nicht schreibt, wirkt diese Unbedingtheit, mit der das Schreiben vor allem anderen steht, etwas befremdlich; man erlebt es oft, dass nichtschreibende Lebenspartner eifersüchtig auf das Schreiben werden oder es ärgerlich und lächerlich finden, wenn man es eben nicht von acht bis siebzehn Uhr macht, sondern dauernd, es das Denken und Beobachten und Leben immer durchwebt wie eine nie enden wollende Spinnwebe.

Wie kann man sich einen typischen Tag vorstellen, wenn Sie an einem Roman arbeiten?

 

Untypisch. Jedes Buch hat seine Launen. Da ich das Gros meines Umsatzes im Jahr durch journalistische Arbeiten verdiene und an wöchentliche Abgabetermine für durchschnittlich vier bis fünf Kunden gebunden bin, müsste man eher eine „typische Woche“ beschreiben. Montag bis Donnerstag: Brot-Schreibe, Haushalt, Buchhaltung, Korrespondenz, Recherche. Zwischendurch auch mal die eine oder andere Notiz oder Denkstunde und Recherche für einen Thriller oder ein Sachbuch (Ich lese vor dem Einschlafen zwei Sorten Bücher: Ein Roman zum Entspannen, ein bestimmtes Sachbuch, was ich zum Thema des Thrillers brauche, zur Zeit etwa „Der Luzifer-Effekt“ oder Bücher über Parasiten. Hmm, lecker). Donnerstag bis Sonntag: Roman oder Sachbuch. Mal küsst mich die Muse, es läuft, mal zickt sie, dann ist es ein einziges Vortasten, Korrigieren, Aufstehen, rausgehen, zweifeln, wieder hinsetzen, schreiben, versuchen, denken, denken, denken, Durchbruch, manische Phase, vier Uhr morgens, um neun wieder raus, weiter machen, Pizzaservice, Nikotinkollaps, unruhig einschlafen, hochschrecken, ein Einfall, Glück. Je nach dem, was ich schreibe – ob Thriller oder Lebensroman, Sachbuch oder Kurzgeschichte – kommt dazu Recherche und immer wieder ein Innehalten, um das grobe Plotgerüst zu bauen: Anfang und Ende sollten feststehen, der Weg dahin entwickelt sich beim Schreiben. Rase ich in die falsche Richtung, werden auch mal satte 50 Seiten wieder weggenommen und neu versucht. 

Welches ist ihr Lieblingsbuch? Welches Genre lesen Sie selbst am liebsten?

 

Es gibt eine Handvoll Lieblingsbücher, zu denen ich immer wieder finde, weil sie mir in einem bestimmten Lebensabschnitt etwas bedeuteten. Dazu gehört „Der Fisch ohne Fahrrad“ von Elizabeth Dunkel, weil es mein erster „Frauenroman“ war und ich wie die Heldin auch gerne im Dunkeln tanze, wo mich keiner sieht. „Dead Zone“ von Stephen King, weil ich im schwärmerischen Alter von 14 dachte, wie wunderbar es sein muss, Schriftsteller zu sein und Geschichten zu erzählen, die wie böse Träume sind. „Es muss nicht immer Kaviar sein“ von Johannes Mario Simmel, aus Solidarität, weil das Föjtong ihn immer ignoriert hat, aber er großartig unterhalten und berühren konnte. Mark Helprin, „Der Soldat aus dem großen Krieg“, weil es mich immer wieder daran erinnert, dass ein Schriftsteller alles darf.  Alles dürfen muss! Jegliche Literatur von Simone de Beauvoir oder Benoite Groult, George Sand und Colette, Irene Nemirowsy und Anna Seeghers. „Garp und wie er die Welt sah“ von John Irving, überhaupt alles von Irving. Ach, jemine: ich seh auf meine Seelenapotheke mit 3000 Büchern hier und denk mir: Ich lese alles gern, alles, alles, sofern das Buch etwas in mir beantwortet – nur dass es exorbitant viele Thriller und Horror und skurrille Romane sind, liegt vielleicht an meinem Interesse an das Dunkle und Helle im Menschen.

Worauf dürfen Ihre Leser sich als nächstes freuen? Woran arbeiten Sie derzeit? 

Es gibt da drei Ideen, von denen es mal 30, mal 80 Seiten gibt. Der Beginn einer Fantasy-Trilogie, ein Thriller, und etwas, was ich nicht Liebesroman nennen möchte, obgleich sich vieles um Liebe dreht –; es ist die Geschichte einer Frau Namens Eva, die Schicksal für zwei Menschen spielt, weil ihr eigenes Schicksal beschlossen zu sein scheint. Ob es ihr gelingt? Die drei werden es mir rechtzeitig sagen.

Liebe Nina, ich danke Ihnen von Herzen für dieses offene und sehr interessante Interview. Für ihre weitere Arbeit und die Erfüllung ihrer Träume wünsche ich Ihnen alles Gute – und, dass Ihre Träume niemals ausbleiben.
Das signierte Buch geht an  Susi K. -Herzlichen Glückwunsch
© Ricarda Ohligschläger
Foto: ©malzkornfoto Hamburg

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