Interview mit Andreas Föhr

Bei einem Roman habe ich theoretisch unbegrenzt Raum und kann Geschichten so komplex erzählen, wie ich es will.

Hallo Herr Föhr, wann haben Sie ihr Interesse am Schreiben entdeckt und war es von Anfang an klar, dass es das Genre Krimi sein soll? 

Schon in der Schule hatte ich Spaß am Schreiben und Formulieren. Ursprünglich hatte ich ein Geschichtsstudium angefangen und dabei im Hinterkopf, später Bücher über historische Themen zu schreiben. Aber da ich das Geschichtsstudium nicht als befriedigend empfand, habe ich es aufgegeben und Jura studiert. Auch Jura hat viel mit Sprache zu tun. Dass Juristen oft ein grauenhaftes Deutsch schreiben, ist leider wahr, aber nicht zwangsläufig. Unter den großen Rechtswissenschaftler sind durchaus auch hervorragende Stilisten. Und schließlich ist es in dem Metier von Vorteil, verständliches Deutsch zu schreiben. Denn man muss – etwa in Schriftsätzen – andere komplexe Sachverhalte so schildern, dass sie sie verstehen. Wenn sich der Richter durch eine verquast formulierte, schlecht strukturierte Klageschrift quälen muss, ist das für die eigene Sache nicht eben von Vorteil. Insofern blieb ich auch bei der Juristerei meiner Liebe zur Sprache treu. 1991 fragte mich dann ein Freund, ob ich nicht Lust hätte Drehbücher zu schreiben. Er kannte einige Leute aus der Branche und um diese Zeit begannen die Privaten Fernsehanbieter, die ersten Eigenproduktionen zu produzieren. Drehbuchautoren waren knapp und die Chancen für Einsteiger entsprechend gut. Die ersten Projekte waren allerdings keine Krimis, sondern Komödien. Doch bald schon begannen mein Partner und ich auch Krimidrehbücher zu schreiben. Hauptsächlich für Serien. Im Lauf der Jahre dürften es über 100 gewesen sein. Als ich dann vor ein paar Jahren beschloss einen Roman zu schreiben, war es klar, dass es ein Krimi sein würde. Ich mag das Genre und fühle mich darin zuhause. Außerdem bietet es die Möglichkeit alles zu erzählen, was mir wichtig ist. 

In ihrem Buch „Der Prinzessinnenmörder“ sind ja Kommissar Kreuthner und Wallners Großvater so zwei richtige urige Gestalten. Das hat etwas Besonderes. Glauben Sie, dass solche Figuren für einen Roman wichtig sind?                      

Für mich sind solche Figuren sehr wichtig. In einem Krimi werden dramatische und tragische Dinge erzählt. Es geht um Leben und Tod. Im Prinzessinnenmörder um einen Vater, der um das Leben seines Kindes kämpft und natürlich um Morde. Das Leben ist aber nicht nur dramatisch und tragisch. Figuren wie Manfred und Kreuthner bieten die Möglichkeiten für einen „comical relief“ wie das neudeutsch heißt. Sie machen Spaß und lassen den Leser zwischen den spannenden Teilen durchatmen. Das ist entscheidend für Tonalität und Rhythmus der Geschichte. Abgesehen davon sind es Figuren, auf die sich der Leser im Idealfall jedes Mal freut, wenn sie auftauchen.

Da ja das meiste im Kreis Miesbach stattfindet, kann es dann sein, das Polizeiobermeister Kreuthner seinen Namen von dem Ort Kreuth in der Nähe des Tegernsees hat? Dies überlege ich nun schon ewig und endlich kann ich mal die Frage stellen.

 In der Tat hat mich der Ortsname Kreuth bei der Namensgebung für Kreuthner inspiriert. Gut beobachtet. 

Verbinden Sie mit Ihren Büchern auch ein Stück weit Ihrer bayrischen Heimat? 

Ja. Ich bin am Tegernsee aufgewachsen. Und obwohl ich nicht mehr dort lebe, besteht immer noch eine enge Verbundenheit mit diesem Landstrich. Das Schreiben von Büchern, die dort spielen, ist auch ein Stück Erinnerung an meine Jugend. Die Orte, die ich beschreibe, suche ich alle noch einmal auf, um zu sehen, ob sie auch wirklich so sind, wie ich sie in Erinnerung habe. Oft bin ich erstaunt, wie sie tatsächlich aussehen, selbst wenn sie sich nicht sehr verändert haben. Und oft erlebe ich noch einmal, was sie in meiner Jugend für mich bedeutet haben. 

Wovon macht es ein Autor eigentlich abhängig, ob er für seinen Roman/ Krimi einen fiktiven Handlungsort, wie z. B. die Autorin Rita Falk, die ihren Roman in Niederkaltenkirchen spielen lässt, wählt, oder einen realen Handlungsort bestimmt. 

Ich kann hier nur für mich sprechen. Ich habe mich für real existierende Orte entschieden, weil sie mich inspirieren. Ich muss mir nicht jedes Detail ausdenken, sondern finde Orte vor, die es gibt und die mir Ideen geben für meine Geschichten. Hinzu kommt, dass viele Menschen die Gegend um den Tegernsee kennen, auch wenn sie nie dort gewohnt haben. Fast jeder Münchner war schon einmal dort und auch Leser aus dem Rest der Republik haben schon vom Tegernsee gehört, kennen Bilder davon oder waren im Urlaub da. Das Wiedererkennen ist natürlich ein besonderer Reiz, der bei der Vorstellung des Geschriebenen hilft. Wenn ich einen fiktiven Ort wähle, bin natürlich freier und kann mir als Autor alles so zurechtlegen, wie ich es für meine Geschichte brauche. 

Kommissar Wallner hat seinen Standort ja in Miesbach (wenn es denn das Miesbach an der B472 ist…), einem realen Ort.
Gibt es da irgendwelche Bestimmungen oder Regeln, an die sich der Autor halten muss oder ist ihm die Wahl des Handlungsortes überlassen?

Es gibt keine Regeln außer denen der Logik und der Konsequenz. Wenn ich einen realen Ort wie Miesbach wähle, kann ich nicht frei irgendwelche Lokalitäten erfinden. Denn es gibt viele Leser, die den Ort kennen und es zu Recht als störend empfinden würden, wenn die Beschreibung nicht stimmt. Das wäre so, als würde man eine Geschichte in München spielen lassen und behaupten, es gäbe dort einen Hafen. Man weiß eben, dass es in München keinen Hafen gibt. Natürlich kann der Autor das behaupten. Das kann ihm niemand verbieten. Aber der Leser wird aus der Geschichte aussteigen, weil er weiß, dass der Autor ihn belügt. 

Wie wird es weitergehen mit Wallner? Können Sie sich für ihn auch eine passende Partnerin vorstellen oder bleibt er Single? 

Ich will an dieser Stelle nicht dem nächsten Roman vorgreifen. Aber das Ende von „Schafkopf“ legt es nahe, dass es zwischen Wallner und Vera irgendwie weitergehen wird – und das wird es auch. In welcher Form, das ist bislang noch mein Geheimnis. 

Ist es ein großer Unterschied ein Drehbuch für den Film oder ein Buch für die Leser zu schreiben? 

Ja. Ein sehr großer Unterschied. Ein Drehbuch ist nicht nur kürzer, es zwingt einen auch, eine Geschichte in 90 Minuten (oder 45 – 60 Minuten bei einer Serie) zu erzählen. Oft stellt man fest, dass man Dinge, die man gern erzählen würde, nicht unterbringt oder nur so knapp, dass sie nicht funktionieren. Deshalb muss man sich sehr beschränken und sehr diszipliniert erzählen. Bei einem Roman habe ich theoretisch unbegrenzt Raum und kann Geschichten so komplex erzählen, wie ich es will. Außerdem habe ich Zeit, Charaktere zu beschreiben oder ihnen kleine Nebenhandlungen zu geben. Das ist beim Drehbuch oft nicht möglich. Andererseits muss man beim Roman genauer arbeiten und dem Leser auch all das vermitteln, was beim Film von der Kamera erzählt wird. Die fehlenden Bilder muss ich im Roman sozusagen miterzählen. 

Warum haben Sie sich bei ihrem zweiten Buch für den Titel „Schafkopf“ entschieden? 

Beim Prinzessinnenmörder war der Titel von vornherein klar. Bei Schafkopf war es nicht so leicht, einen Titel zu finden, der die Komplexe Handlung auf den Punkt bringt. Nach etlichen Diskussionen mit meiner Lektorin Andrea Hartmann kamen wir schließlich darauf, dass der Ausgangspunkt aller tragischen Verwicklungen jene Partie Schafkopf war, die über zwei Jahre vor dem am Anfang des Buches geschilderten Mord stattgefunden hatte. Diese Kartenrunde war in gewisser Weise der Kern der Geschichte. 

Sie haben dieses Buch Dominik Brunner gewidmet – warum? 

Die Widmung hat zwei Aspekte. Der private ist: Ich kannte Dominik Brunner persönlich. Der öffentliche Aspekt ist: Ich wollte helfen, die Erinnerung an Dominik Brunner zu bewahren. Dabei geht es mir nicht um die Erinnerung an einen Märtyrer, sondern an einen Menschen, der im Gegensatz zu den meisten von uns nicht weggesehen, sondern sich eingemischt und geholfen hat. 

Als Drehbuchautor braucht man sicherlich auch eine starke visuelle Vorstellungskraft (Ihr Text muss ja filmisch umsetzbar sein). Beeinflusst Sie das auch beim Romanschreiben, oder haben Sie dort eine andere Herangehensweise?

 Eigentlich ist es umgekehrt. Der Romanautor braucht eine erheblich größere visuelle Vorstellungskraft als der Drehbuchautor. Im Drehbuch nehmen die Beschreibungen der Örtlichkeiten einen relativ kleinen Platz ein. Das liegt daran, dass die konkrete visuelle Ausgestaltung einer Szene anderen obliegt: Regisseur, Kameramann, Ausstatter, Kostümbildner etc. Als Romanautor muss ich all das, was die Kamera dem Zuschauer zeigt, durch Beschreibungen erlebbar machen. Insofern muss ich mir alles erheblich genauer überlegen und zu Papier bringen als im Drehbuch. Das war für mich eine große Herausforderung, hat aber auch sehr viel Spaß gemacht. Auch weil man für das fertige Produkt nicht auf andere (Regisseur, Schauspieler) angewiesen ist, auf deren Wirken man keinen Einfluss mehr hat, sondern ein Werk von Anfang bis Ende selbst kreieren kann.

Wie ist das bei Ihnen, Herr Föhr, haben Sie den Roman bereits im Kopf, bevor Sie anfangen niederzuschreiben, oder entwickelt sich die Idee erst beim Schreiben? Woher nehmen Sie sich Ideen? 

Bei „Schafkopf“ habe ich etwa ein halbes Jahr nur über die Geschichte nachgedacht und mir Notizen gemacht. Erst dann habe ich ein weiteres halbes Jahr geschrieben. Ich habe dann bereits einen einigermaßen konkreten Ablauf der Geschichte. Dennoch ergibt sich auch beim Schreiben noch viel, das nicht in meinen Notizen steht, vor allem die konkreten Details, aber auch Dinge, die die Struktur der Geschichte betreffen. Insbesondere die genaue Anordnung der Rückblicke war sehr kompliziert und hat mich etliche Wochen beschäftigt. 

Schreiben Sie Ihre Romane per Hand oder benutzen Sie einen Computer? 

Ich benutze einen Computer. Da ich mittlerweile seit fast zwanzig Jahren mit dem Computer schreibe, geht das schneller als mit der Hand und hat zudem den Vorteil, dass ich das Geschriebene später auch wieder lesen kann. Inzwischen schreibe ich sogar bei Besprechungen Notizen in den Computer.

Was tun gegen Schreibblockaden? 

Schreibblockaden in dem Sinn, dass mir gar nichts mehr einfällt, hatte ich noch nie. Aber es gibt immer wieder Momente, in denen es zäh geht oder man an einem Problem hängt und nicht weiß, wie es weitergehen soll. In einem solchen Fall ist es das Beste, wenn ich einen Ortswechsel vornehme. Wenn sich die Gedanken im Kreis drehen, muss man das Gehirn kurzzeitig mit etwas anderem beschäftigen. Oft reicht es schon, wenn ich das Haus verlasse. Es ist mir durchaus schon passiert, dass ich Stunden lang ergebnislos über ein Problem nachgedacht habe, und kaum war ich aus der Haustür, kam ich auf die Lösung. Ein anderer guter Weg ist es, mit jemanden zu reden. Meistens ist es so, dass der Gesprächspartner auch keine Lösung hat. Aber allein durch das Gespräch kommt man selbst darauf. 

Haben Sie Schreibrituale? 

Meistens löse ich im Internet ein Sudoku, bevor ich anfange zu schreiben. Das bringt mein Gehirn vermutlich auf Betriebstemperatur.

Wenn Sie Zeit zum Lesen haben, zu welchen Büchern greifen Sie? 
 
Ich lese Romane ganz unterschiedlicher Couleur. Im letzten Jahr etwa „Mängelexemplar“, „Gargoyle“ und „Wassermusik“. Natürlich auch Krimis, schon um zu sehen, was die anderen so machen. Aber auch sehr viele Sachbücher mit Themen, die von Quantenphysik über Architektur bis zum Holocaust reichen. Abgesehen davon, dass ich meine Bücher rein nach persönlichem Interesse auswähle, finde ich, dass man sich als Autor für ein breites Spektrum von Themen interessieren sollte, denn das ist das Leben. Wer nur noch Literatur liest, wird irgendwann keine interessanten Geschichten mehr erzählen. 

Bringen Sie teilweise eigene Erfahrungen und/oder evtl. Bekannte/Verwandte in deine Bücher ein?

 

Selbstverständlich. Im Grunde kann man ja nur über eigene Erfahrungen schreiben, jedenfalls, was persönliche und emotionale Geschehnisse betrifft. Aber natürlich verfremde ich diese authentischen Erfahrungen, Erlebnisse und Charaktere literarisch so, dass man sie nicht mehr eindeutig zuordnen kann. Eine Figur wird immer Züge von mir bekannten Menschen tragen, doch nie eins zu eins. Schließlich ist es ja Dichtung und nicht Wahrheit, wenngleich die Dichtung natürlich viel Wahrheit in sich trägt. 

Welches Buch sollte ihrer Meinung nach in keinem Buchregal fehlen? 

Der Zauberberg.

Danke Herr Föhr für dieses interessante und aufschlussreiche Interview und vielleicht bis bald auf der Buchmesse in Frankfurt.
Die Bücher aus der Verlosung gehen an
Christiane K.
Jasmin Sch.
Rebecca K.
Herzlichen Glückwunsch! Die Bücher werden nächste Woche ihren Empfänger erreichen.
Die Interviewfragen stammen u. a. aus Einsendungen, im Rahmen der Aktion „Leser fragen – Autoren antworten“
Cover © www.droemer-knaur.de

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